Allergieschock (Anaphylaktischer Schock): Was tun?

Es kann jeden Allergiker treffen: Kurz nach dem Kontakt mit dem Allergen kommt es zu einer heftigen allergischen Schockreaktion mit Atemnot und Kreislaufversagen. Jetzt ist schnelle Hilfe gefragt.

Der Wespenstich, der Hummercocktail, die Nusspraline – die Gefahrenquellen sind klein und liegen oftmals im Verborgenen. Umso unvermittelter tritt dann die Schockreaktion ein: Innerhalb weniger Minuten nach dem Kontakt verspürt der Allergiker ein erstes Kribbeln oder Brennen, es folgen Hautjucken, Schwindelgefühl und Atemnot. Steigern sich die Symptome, kann die Situation brenzlig werden.

Es droht ein Allergieschock, die schwerste und gefährlichste Form der Überreaktion des Immunsystems auf körperfremde Stoffe. Dabei sind Atemorgane und Herz-Kreislauf-System so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass lebenswichtige Organe nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt werden, was in der Folge zur Bewusstlosigkeit und sogar zum Herzstillstand führen kann.

Ablauf einer allergischen Schockreaktion (Anaphylaxie)

Die überzogene Abwehrmaßnahme des Immunsystems führt zu einer Weitstellung von Gefäßen. Es entsteht ein Missverhältnis zwischen Gefäßkapazität und tatsächlich zirkulierender Blutmenge. Der Organismus versucht, dagegen anzusteuern:

  • Das Herz pumpt schneller, gleichzeitig werden die kleineren Gefäße verengt, so dass nur noch die lebenswichtigen Organe ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.
  • Die Durchblutung der Nieren, der Leber und des Darms wird reduziert.
  • Stellen die Nieren ihre Funktion ein, kommt es zur Schockniere und es funktioniert letztlich nur noch ein Notkreislauf für Herz, Lunge und Gehirn.
  • Ohne ärztliche Hilfe kann diese Reaktion schließlich zum Atem- und Herz-Kreislauf- Stillstand führen.

Anaphylaktischer Schock: Die unterschätzte Gefahr

Tückischerweise kann ein anaphylaktischer Schock ohne große Vorwarnung auftreten. Gefährdet ist jeder, der sensibilisiert ist. Das heißt, es kann jeden treffen, der schon einmal allergisch reagiert hat – unabhängig davon, wie heftig diese Reaktion war.

Nach Angaben des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen sind Nahrungsmittelbestandteile der häufigste Grund für eine lebensbedrohlich verlaufende Allergie. Insbesondere Nüsse sind mit Vorsicht zu genießen. Aber auch ein Insektenstich kann sehr viel schwerwiegendere Folgen haben als eine vorübergehende juckende Schwellung.

Hinweise auf einen Allergieschock. Die Symptome können rasch nacheinander auftreten

Leichte Symptome

  • Kratzen im Hals, Husten
  • flächenhafte Hautrötung (Flush)
  • Quaddeln auf der Haut (Urtikaria)
  • Schwellungen (Quincke-Ödem)
  • Bauchkrämpfe
  • Juckreiz im Mund, in den Handflächen, im Kopf- und Genitalbereich
  • Blutdruckabfall
  • Schwindelgefühl, Schwäche

Schwere Symptome

  • Atemnot
  • Übelkeit
  • beschleunigter Herzschlag
  • Blutdruckabfall
  • Herzrhythmusstörung
  • Schockzustand
  • Bewusstlosigkeit mit Kreislaufzusammenbruch

Risiko minimieren

Allergiker können sich vor einer Anaphylaxie nicht komplett schützen, da sich in der Regel der Kontakt mit den potenziellen Auslösern nicht gänzlich verhindern lässt. Dennoch gibt es Verhaltensregeln und Vorbeugemaßnahmen, die Allergiker beachten sollten. Sie sollten zum einen stets ein Notfallset griffbereit haben, zum anderen müssen sie die Warnsignale erkennen können, um schnellstmöglich medizinische Hilfe zu holen.

Die häufigsten Auslöser eines Allergieschocks (Anaphylaxie)

  • Nahrungsmittel (Nüsse, Milch, Eier, Fisch, Schalentiere und einige Lebensmittelzusätze)
  • Insektengifte (Bienen, Wespen, Hornissen)
  • Medikamente (Antibiotika, Rheumamittel, Narkotika, Epilepsie- Medikamente,
  • Muskelrelaxanzien, Kontrastmittel)
  • Latex (Handschuhe, Luftballons und andere Haushaltswaren)
  • In seltenen Fällen: physikalische Faktoren (körperliche Anstrengung, UV-Strahlung, Kälte)

Notfallplan

Besteht bei Ihnen oder Ihrem Kind ein Anaphylaxie-Risiko, sollten Sie auf jeden Fall einen Allergologen aufsuchen. Da in der akuten Notfallsituation oft nicht genügend Zeit für einen Transport zum Arzt oder ins Krankenhaus bleibt, müssen Sie in der Lage sein, sich rasch und sicher selbst zu helfen. Ihr Arzt wird Ihnen deshalb die wichtigsten Verhaltensregeln für den Notfall erklären. Wichtig ist, dass Sie diese Informationen auch an Angehörige und Personen aus Ihrem täglichen Umfeld weitergeben, da Sie in einer kritischen Situation möglicherweise auf deren schnelle Hilfe angewiesen sind. Tragen Sie außerdem einen Allergiepass bei sich, der auf eine mögliche Anaphylaxie hinweist.

Wenn Ihr Kind gefährdet ist, teilen Sie dies unbedingt Lehrern und Erziehern mit. Für Schule und Kindergärten gibt es vorbereitete Notfallpläne, die Sie gemeinsam mit dem Arzt ausfüllen und mit den Erziehern besprechen sollten.

Notfallset stets griffbereit

Außerdem wird der Arzt ein Notfallset für die Soforthilfe verschreiben. Das Notfallset besteht üblicherweise aus drei Medikamenten: Antihistaminikum, Kortison und Adrenalin. Das Antihistaminikum schwächt die Wirkung des Histamins, einer der wichtigsten Entzündungsstoffe, der bei allergischen Reaktionen freigesetzt wird, ab und wirkt auf diese Weise zielgerichtet den allergischen Symptomen entgegen.

Kortison wirkt allgemein stark entzündungshemmend, hat jedoch einen langsameren Wirkeintritt als Antihistaminika. Adrenalin ist ein Stresshormon, das für eine Steigerung der Herzfrequenz, den Anstieg des Blutdrucks und eine Erweiterung der Bronchien sorgt. Empfehlenswert ist außerdem ein Asthmaspray, das ebenfalls die Bronchien erweitert und allgemein bei Luft- und Atemnot zum Einsatz kommt. Wichtig ist, dass Sie dieses Notfallset stets griffbereit haben und auch wissen, wann und wie Sie es anwenden müssen.

Was im Falle eines allergischen Schocks zu tun ist

  • Bei auffälligen allergischen Reaktionen muss sofort ein Notarzt gerufen werden.
  • Bis zu seinem Eintreffen sollte der Betroffene flach mit leicht hochgelagerten Beinen liegen und warm gehalten werden.
  • Steht ein Notfallset zur Verfügung, sollte zunächst das Antihistaminikum verabreicht werden, um Schwellungen und Jucken zum Abklingen zu bringen. Kommt es zu Schwindel und Übelkeit, sollte das Kortisonpräparat zum Einsatz kommen, damit dem drohenden Blutdruckabfall vorgebeugt wird. Schreitet die Schockreaktion weiter fort, d. h., treten asthmaartige Anfälle, starke Kreislaufprobleme und Luftnot auf, muss Adrenalin gespritzt werden.

Während das Antihistaminikum und das Kortison als Saft oder Tropfen eingenommen werden können, wird Adrenalin gespritzt. Für viele kostet es zunächst Überwindung, sich selbst oder auch einem anderen eine Spritze zu geben. Hier hat sich die Anwendung eines Autoinjektors bewährt, mit dem auch ungeschulte Personen schnell und sicher die genau dosierte Injektion verabreichen können. Beim Autoinjektor, der von außen einem dicken Filzstift ähnelt, befindet sich die feine Injektionsnadel im Inneren des Gehäuses. Wird das enthaltene Medikament, in diesem Fall das Adrenalin, benötigt, drückt man den Autoinjektor zum Beispiel auf die Außenseite des Oberschenkels. Über einen Federmechanismus wird dadurch die Injektion ausgelöst. Diese sichere und patientengerechte Handhabung macht die Adrenalingabe auch unter schwierigen Notfallbedingungen sehr einfach.

Nachsorge

Nach einem allergischen Schock muss der Patient unter ärztlicher Aufsicht bleiben, bis der Kreislauf stabil ist

Das Notfallset ist dafür gedacht, dass der Allergiker sich schnell selbst helfen kann. Es ersetzt jedoch keinesfalls die ärztliche Behandlung.

Es muss in jedem Fall ein Notarzt gerufen werden, der den weiteren Verlauf der allergischen Reaktion kontrollieren und insbesondere Blutdruck und Herz-Kreislauf-Funktionen überwachen wird. Da die Wirkung des Adrenalins nachlassen und außerdem noch einige Zeit später eine zweite anaphylaktische Reaktion auftreten kann, ist diese medizinische Versorgung und Überwachung dringend erforderlich.

Sind die anaphylaktischen Reaktionen schließlich vollständig abgeklungen, sollten Sie unbedingt Ihren Allergologen aufsuchen und Ihr Notfallset erneuern. Vielleicht gelingt es Ihnen in Zukunft, ähnliche Situationen wie die, die zum Schockzustand geführt hat, zu vermeiden. Dennoch sollten Sie stets für den Notfall gerüstet sein.

Anaphylaxie-Schulungen

Ein Allergie-Schock kann jeden treffen und schlimmstenfalls innerhalb von Minuten einen dramatischen Verlauf nehmen. So vergehen bei Nahrungsmittel-Allergikern zwischen dem Essen des Auslösers und einem anaphylaktischen Schock etwa 30 Minuten. Bei Insektengift kommt es durchschnittlich schon nach etwa 12 Minuten zu ersten Beschwerden und bei Allergien auf Medikamente können anaphylaktische Symptome bereits nach fünf Minuten auftreten. Deshalb ist die Aufklärung über diese medizinische Notfallsituation wichtig.

Experten raten betroffenen Personen mit bekanntem Anaphylaxie-Risiko und Eltern von durch Anaphylaxie gefährdeten Kindern dringend dazu, an einer Schulung teilzunehmen. Die Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE) unter Leitung von Prof. Johannes Ring von der TU in München bietet bundesweit ein Trainingsprogramm zum Thema Anaphylaxie an. In den Kursen der AGATE vermitteln Ärzte, Psychologen und Ernährungsberater betroffenen Patienten und Eltern von durch Anaphylaxie gefährdeten Kindern an zwei Abenden Hintergrundwissen zu Anaphylaxie, Strategien zur Allergenvermeidung und praktische Maßnahmen des Notfallmanagements. Informationen zu Schulungszentren, aktuelle Programme und Termine finden Sie im Internet unter: www.anaphylaxieschulung.de.

Anton Wilder