Risikofaktor Übergewicht: Dicke Kinder neigen eher zu Allergien

Kinderärzte und Allergologen schlagen Alarm: Es gibt immer mehr übergewichtige Kinder, gleichzeitig steigt die Zahl allergiekranker Kinder und Jugendlicher. Studien zeigen, dass es hier Zusammenhänge gibt und dass die frühkindliche Ernährung für beides eine entscheidende Rolle spielt.

Eines vorweg: Babys dürfen ein bisschen pausbäckig sein und Speckfältchen an Armen und Beinen haben. Eltern sollten jedoch darauf achten, dass ihr Kind nicht allzu viel Babyspeck ansetzt. Denn aus vielen pummeligen Säuglingen werden später dicke Kinder und übergewichtige Erwachsene. Studien zeigen, dass insbesondere eine rapide Gewichtszunahme in den ersten Lebensmonaten das Risiko für spätere Fettleibigkeit verdoppelt bis verdreifacht. Damit verbunden sind steigende Gesundheitsbelastungen. Die Liste der Krankheiten, deren Risiko durch Übergewicht erhöht wird, ist lang. Auch Allergien und die Entwicklung von Asthma gehören dazu.

Normalgewicht senkt Allergierisiko

Die Auswertung verschiedener Studien mit mehr als 300.000 Teilnehmern hat gezeigt, dass übergewichtige Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 25 ein um 50 Prozent höheres Risiko für allergisches Asthma haben als Normalgewichtige. (Der BMI berechnet sich aus dem Körpergewicht [kg] dividiert durch das Quadrat der Körpergröße [m²] und ist ein Richtwert um festzustellen, ob das Gewicht innerhalb eines als gesund definierten Bereichs liegt.) Noch deutlicher fällt dieses Ergebnis bei stark Übergewichtigen mit einem Body-Mass-Index von über 30 aus: Sie tragen ein fast doppeltes Risiko, an allergischem Asthma zu erkranken.

Immer mehr übergewichtige Kinder

  • 15 Prozent aller Kinder im Alter zwischen 3 und 17 Jahren sind übergewichtig, 6,3 Prozent gelten als adipös, also fettleibig. Hochgerechnet sind dies 1,9 Millionen dicke und 800.000 fettleibige Kinder in Deutschland (Zahlen: Kinder- und Jugendgesundheitssurvey).

Eine andere Studie zeigt, dass der Immunglobulin( IgE)-Spiegel bei übergewichtigen Kindern deutlich höher ausfällt als bei Normalgewichtigen. IgE ist ein Antikörper, der auf das Vorliegen von Allergien hindeutet. Noch ist der Zusammenhang zwischen Übergewicht und IgE-Spiegel nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass entzündungsvermittelnde Botenstoffe, die vom Fettgewebe produziert werden, eine Rolle spielen.

Übergewicht und Allergien vorbeugen

Stillen schützt vor Übergewicht Verschiedene Studien zeigen, dass Kinder, die gestillt werden, im Schul- und Erwachsenenalter deutlich weniger zu Übergewicht neigen.

Kinderärzte und Allergologen stimmen in ihren Empfehlungen überein: Um Übergewicht und Allergien vorzubeugen, sollten Säuglinge in den ersten Lebensmonaten möglichst ausschließlich gestillt werden. Studiendaten zeigen, dass gestillte Kinder bei gleichem Wachstum langsamer an Gewicht zulegen und später seltener zu Übergewicht neigen als Babys, die herkömmliche Fläschchennahrung bekommen.

„In unseren Untersuchungen fanden wir eine um 25 Prozent niedrigere Häufigkeit von Übergewicht bei Schulkindern, die nach der Geburt gestillt wurden“, erklärt Professor Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechselstörungen und Ernährungsmedizin am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. Die Erklärung hierfür liefert eine von Koletzko geleitete große Studie mit gesunden Neugeborenen, deren Ernährung über 12 Monate kontrolliert und deren Wachstum und Gewichtszunahme insgesamt über einen Zeitraum von 24 Monaten beobachtet wurden. Der Fokus lag dabei auf den unterschiedlichen Eiweißgehalten der verschiedenen Säuglingsnahrungen, wobei Muttermilch den niedrigsten Eiweißgehalt aufweist.

Übergewicht in der Schwangerschaft vermeiden

  • Kinder, die schon im Mutterleib überfüttert wurden, werden auch später mehr essen, als sie brauchen, und zu Übergewicht neigen. Eine Analyse verschiedener internationaler Studien mit insgesamt 980.450 Personen hat bestätigt, dass ein höheres Geburtsgewicht mit einem erhöhten Übergewichtsrisiko im späteren Leben einhergeht. Professor Berthold Koletzko: „Diese Daten zeigen, dass viele lebenslange Weichenstellungen im Sinne einer Prägung von Krankheitsveranlagungen bereits während der Entwicklung im Mutterleib und in den ersten Lebenswochen erfolgen.“

Ein großer Teil der Kinder wurde über mindestens drei Monate gestillt, die anderen bekamen die Flasche, davon etwa die Hälfte Säuglingsnahrung mit niedrigem, die andere Hälfte mit hohem Eiweißgehalt. Dabei zeigte sich, dass die unterschiedliche Ernährung keinen Einfluss auf das Längenwachstum der Kinder hatte, jedoch einen deutlichen Effekt auf die Gewichtszunahme in den ersten zwei Lebensjahren. Die Kinder, die Flaschennahrung mit hohem Eiweißgehalt erhalten hatten, brachten nach 12 Monaten im Durchschnitt wesentlich mehr Gewicht auf die Waage und hatten einen höheren Body-Mass-Index als die anderen Kinder. Auch das Gewicht der Kinder, die mit Säuglingsnahrung mit niedrigem Eiweißgehalt gefüttert wurden, lag im ersten Lebensjahr höher als bei den gestillten Säuglingen, näherte sich aber bis zum Ende des zweiten Lebensjahres dem Gewicht der gestillten Kinder deutlich stärker an. Offensichtlich hat der Eiweißgehalt der ersten Nahrung maßgeblichen Einfluss auf die Gewichtsentwicklung der Kinder und einmal mehr schneidet Muttermilch am besten ab.

Anton Wilder