Haarausfall [Alopezie]

Ihre ursprüngliche Aufgabe war die Wärmedämmung bei kaltem Wetter sowie Schutz vor besonders starker Sonnenbestrahlung. Dafür lässt sich mit Mütze und Sonnenhut leicht Ersatz schaffen. Heutzutage sind die Haare für die meisten von uns vor allem Kopfschmuck, der auch gerne mal zum Ausdruck von Lebensgefühl, Stimmung und Zeitgeist wird. Kein Wunder also, dass so mancher einen besorgten Blick in den Spiegel wirft, wenn das Abflusssiebchen nach dem Duschen wieder einmal voller Haare ist und jedem Kämmen und Bürsten weitere Haare zum Opfer fallen.

Etwa jeder dritte Mann und jede zehnte Frau über 30 leidet unter übermäßigem Haarausfall, medizinisch als Alopezie bezeichnet. Für viele, insbesondere Frauen, ist der Schwund der Kopfbehaarung eine Belastung. Entsprechend groß ist die Bereitschaft, dem Haarausfall mit teuren und unsicheren Selbstbehandlungsmethoden entgegenzutreten. „Kaum eine Erkrankung ist so mit Mythen und Göttersagen besetzt wie der Haarausfall.

Circa 60–100 Haare verliert jeder Mensch täglich, ohne dass er kahle Stellen fürchten müsste. Bei auffallend stärkerem Haarverlust sollte die Ursache medizinisch abgeklärt werden.

Entsprechend hoch ist die Zahl unseriöser Versprechungen. Im Internet oder auf großflächigen Magazinanzeigen in der Publikumspresse wird eine Vielzahl unwirksamer Präparate für teuer Geld angeboten“, warnt der Bremer Hautarzt Dr. Uwe Schwichtenberg vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen. Um wirklich Abhilfe zu finden, muss zunächst festgestellt werden, um welche Art von Haarausfall es sich überhaupt handelt. „Der Hautarzt ist der Ansprechpartner Nummer eins, wenn es um Haarerkrankungen geht – nicht die Kosmetikerin, der Friseur oder der Apotheker. Die Haare sind Hautanhangsgebilde, der zuständige Facharzt ist also der Hautarzt“, stellt Schwichtenberg klar.

Es werden drei Hauptformen unterschieden: der anlagebedingte Haarausfall (Alopezia androgenetica), der kreisrunde Haarausfall (Alopezia areata) und der diffuse Haarausfall (Alopezia diffusa symptomatica).

Ganz schön haarig

  • Rund 100.000 Haare schmücken unser Haupt. Einige von ihnen stehen am Anfang ihrer Wachstumsphase, andere sind kurz davor, abgestoßen zu werden. Jedes Haar hat einen eigenen Lebenszyklus, der mehrere Jahre dauert. Am Ende wird es durch ein neues Haar verdrängt und fällt aus. Aus diesem Grund ist es ganz normal, dass man täglich zwischen 60 und 100 Haare verliert. Sichtbar schütteres Haar, Geheimratsecken oder Glatze drohen, wenn deutlich mehr Haare ausfallen oder sich der Haarverlust auf einzelne Bereiche konzentriert.

1. Anlagebedingter Haarausfall

Bei der Alopezia androgenetica spielen sowohl Erbanlagen als auch Hormone eine Rolle. Welche Gene dabei im Einzelnen für den Haarausfall verantwortlich sind, ist bislang nicht bekannt, man weiß jedoch, dass bei manchen Menschen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung die Haarwurzeln besonders empfindlich auf männliche Sexualhormone, die Androgene, reagieren. Dies führt zu einer Schrumpfung der Haarfollikel, die in der Folge nicht mehr in der Lage sind, ein kräftiges Kopfhaar auszubilden. Dieser Prozess beginnt zumeist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Während bei Frauen hauptsächlich die Haare im Bereich des Scheitels ausfallen, lichten sich bei Männern vor allem Stirn und Schläfen sowie der Hinterkopf. Im Extremfall kann es bei Männern zu einer vollständigen Glatzenbildung kommen.

Vorbeugende Maßnahmen gegen einen anlagebedingten Haarausfall gibt es nicht. Es ist auch nicht möglich, eine völlig zerstörte Haarwurzel neu zu aktivieren. Ziel einer seriösen Behandlung ist, das weitere Fortschreiten des Haarausfalls zu stoppen – und damit sollte möglichst frühzeitig begonnen werden. Zur Behandlung des anlagebedingten Haarausfalls stehen laut Schwichtenberg sowohl äußerlich wie innerlich anzuwendende Präparate zur Verfügung, deren Wirksamkeit in klinischen Tests bewiesen wurde. „Für Frauen steht der in Tablettenform angebotene Wirkstoff jedoch nicht zur Verfügung“, schränkt der Dermatologe ein. Bei Frauen helfe die Gabe eines Medikaments, das von Haus aus ein Blutdrucksenker ist. Bei lokaler Anwendung kann es zu einem hohen Prozentsatz das Voranschreiten des Haarausfalls stoppen, indem die Wirkung der männlichen Sexualhormone auf die Haarwurzel blockiert wird.

2. Kreisrunder Haarausfall

Der kreisrunde Haarausfall ist die häufigste Haarausfallerkrankung mit entzündlicher Ursache. Typischerweise entstehen am behaarten Kopf eine oder mehrere kreisrunde kahle Stellen, mitunter ganz plötzlich. „Hier liegt die Ursache bei einem Fehler im Immunsystem: Immunzellen, die sich normalerweise um die Abwehr von Viren und Bakterien kümmern, werden plötzlich auf die Haare angesetzt, sammeln sich um die Haarwurzel und lähmen diese“, erklärt Schwichtenberg. Da bei dieser Form des Haarausfalls nicht die Haarwurzel zerstört ist, sondern lediglich eine Störung des Haarwachstums vorliegt, wachsen bei einem Großteil der Patienten die Haare nach einigen Monaten, sobald die Entzündung abgeklungen ist, von selbst wieder nach. Eine medikamentöse Unterstützung ist aber auch hier möglich.

3. Diffuser Haarausfall

Beim diffusen Haarausfall muss der Hautarzt regelrecht Detektivarbeit leisten, da der auslösende Faktor entsprechend dem Haarzyklus drei bis sechs Monate zurückliegen kann. „Eine Funktionsstörung der Schilddrüse, Eisenmangel, Einnahme oder Absetzen der Anti-Baby-Pille, Schwangerschaft, Blitzdiäten, Stoffwechselstörungen, verschiedene innere Erkrankungen – es gibt unterschiedliche Auslöser. Eine Behandlung erfolgt dann entsprechend der Ursache“, so Schwichtenberg. Sind die Auslöser beseitigt oder die Grunderkrankungen therapiert, wächst das Haar fast immer nach. Dies kann je nach Wachstumsphase der Haare zwischen drei und sechs Monate dauern.

Kompetente Hilfe

Ganz gleich, aus welchen Gründen die Haarpracht schwindet: Der Leidensdruck vieler Betroffener ist hoch. Unser Rat: Nehmen Sie frühzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch und lassen Sie Ursache und Auslöser des Haarverlusts abklären.

Anton Wilder