Schmerzhaft und gefährlich: Insektenstiche

In Deutschland ist in erster Linie das Gift von Honigbienen und Faltenwespen für allergische Reaktionen verantwortlich.

Sommer, raus ins Freie! Bei einem kühlen Getränk im Garten lässt es sich bestens entspannen. Es sei denn, die süße Erfrischung hat auch ein paar Störenfriede herbeigelockt und wird fortan von Bienen oder Wespen umschwirrt. Wer nicht die Flucht ergreift, der muss nun Ruhe bewahren und mit großer Aufmerksamkeit und Vorsicht das Treiben der Insekten beobachten. Denn Wespen- und Bienenstiche sind nicht nur unangenehm und schmerzhaft. Sie können schwerwiegende Folgen haben.

Prof. Dr. med. Torsten Zuberbier, Leiter der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF), weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass Insektengiftallergiker Notfallmedikamente zur Hand haben: „Patienten mit einer Insektengiftallergie erhalten von ihrem behandelnden Arzt ein Notfallset mit Medikamenten wie beispielsweise Adrenalin, einem Kortisonpräparat und einem Antihistaminikum. Gerade in den Sommermonaten erleben wir es aber häufig, dass das Notfallset am Strand, beim Joggen oder Radfahren nicht mitgeführt wird, obwohl es notwendig wäre.“

Lebensbedrohlich kann so ein Stich in der Mund- oder Rachenregion sein, wenn die Luftröhre zuschwillt oder aber wenn der Gestochene eine Insektengiftallergie hat. Rund drei Millionen Menschen in Deutschland reagieren auf bestimmte Eiweißsubstanzen, die im Insektengift enthalten sind, mit heftigen Symptomen. Bei ihnen bleibt die Reaktion nicht auf die unmittelbare Umgebung der Einstichstelle beschränkt, sondern es zeigen sich nesselsuchtartige Hautausschläge und Schwellungen, es kann zu Schweißausbrüchen, Schwindel, Zittern, Übelkeit, Atemnot und heftigen Herz-Kreislauf-Problemen kommen. Schlimmstenfalls droht ein allergischer Schock (siehe Allergieschock).

Ob jemand allergisch reagiert oder nicht, lässt sich nicht vorhersagen. Jeder kann eine Allergie entwickeln. Ein einziger Stich reicht aus, damit das Immunsystem sensibilisiert ist. Das bedeutet, das Immunsystem hat die im Insektengift enthaltenen Eiweiße als fremd erkannt, gefährlich eingestuft und Antikörper entwickelt. Dadurch ist es für den nächsten Kontakt mit dem Gift gewappnet und kann sofort mit Abwehrmaßnahmen reagieren.

Dazu gehört, dass verstärkt der Botenstoff Histamin ausgeschüttet wird, und dieser ist für viele der typischen allergischen Symptome verantwortlich: Die Blutgefäße weiten sich, wodurch Hautrötung, Quaddelbildung und Blutdruckabfall ausgelöst werden, die Muskulatur in den Bronchien zieht sich zusammen, so dass das Atmen schwerer fällt, die vermehrte Ausschüttung von Adrenalin kann starkes Herzklopfen verursachen.

  • Bei rund 25 Prozent der Gestochenen zeigt sich die Insektengiftallergie durch schmerzhafte, visitenkartengroße und rötliche Schwellungen, die länger als 24 Stunden andauern. Schwellungen im Gesicht, Kribbelgefühl an Händen und Füßen bis hin zu Schwindel und Übelkeit sind weitere allergische Symptome, die schon wenige Sekunden nach einem Stich auftreten können.
  • Rund vier Prozent der Bevölkerung reagieren systemisch auf einen Insektenstich: Sie entwickeln beispielsweise starke Schwellungen oder Hautausschlag im Gesicht, auch wenn sich die Einstichstelle am Bein befindet.

Allerdings reagiert nicht jeder, der sensibilisiert ist, in dieser Form. Die Sensibilisierung kann lebenslang anhalten, ohne dass irgendwelche Symptome auftreten. Umgekehrt gibt es auch Menschen, die mehrfach ohne nennenswerte Folgen gestochen wurden, und dann löst plötzlich ein einziger weiterer Stich eine heftige allergische Reaktion aus.

Einen Insektenstich sollte man deshalb niemals auf die leichte Schulter nehmen. Ein Allergietest beim Allergologen kann Klarheit darüber geben, ob man für Bienen- oder Wespengift sensibilisiert ist. Ist dies der Fall, sollte man in unmittelbarer Nachbarschaft von Bienen und Wespen besondere Vorsicht walten lassen und stets Notfallmedikamente griffbereit haben, damit im Falle eines allergischen Schocks schnell reagiert werden kann.

Eine Möglichkeit, langfristig die Allergie in den Griff zu bekommen, bietet die spezifische Immuntherapie, die auch als Hyposensibilisierung bezeichnet wird. Ziel dieser Therapie, bei der das allergieauslösende Insektengift dem Betroffenen verdünnt unter die Haut gespritzt wird, ist es, den Körper langsam an das Insektengift zu gewöhnen. Bei Insektengiftallergikern liegt nach Angaben der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF) die Erfolgsrate der Hyposensibilisierung bei über 90 Prozent, das heißt, bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten bleibt eine allergische Reaktion zukünftig aus. Ob eine Hyposensibilisierung sinnvoll ist, sollte deshalb mit dem behandelnden Allergologen besprochen werden.

Verhaltensregeln für Insektengiftallergiker

  • Vermeiden Sie rasche, hektische Bewegungen, wenn eine Biene oder Wespe Sie umschwirrt.
    Verzehren Sie möglichst keine süßen Speisen oder Getränke im Freien.
    Gehen Sie möglichst nicht in die Nähe von blühenden Blumen oder Bäumen. Vorsicht beim Blumen- und Obstpflücken.
  • Verwenden Sie keine stark duftenden Kosmetika.
  • Wenn Sie weite, luftige Kleidung tragen, achten Sie darauf, dass kein Insekt zwischen die Kleidung gelangen kann.
  • Bei Sport und körperlicher Arbeit im Freien ist Vorsicht geboten. Schweiß lockt Insekten an.
    Laufen Sie nicht barfuß und tragen Sie möglichst keine offenen Schuhe. Viele Wespen leben am Boden.
  • Nehmen Sie in den Sommermonaten immer Ihre Notfallmedikamente und den Allergiepass mit.
    Wenn Sie trotzdem gestochen worden sind, suchen Sie schnellstmöglich einen Arzt auf.
Anton Wilder