Neurodermitisschulung: Experte werden in eigener Sache

Neurodermitis wird durch viele äußere Faktoren beeinflusst. Wer die Symptome kennt und gelernt hat, mit ihnen umzugehen, kann meist das Krankheitsbild deutlich verbessern. Neurodermitisschulungen vermitteln Hintergrundwissen und praktische Hilfe.

Zwischen 10 und 20 Prozent der Kinder in Deutschland erkranken an Neurodermitis. Die meisten von ihnen bereits im Säuglingsalter.

„Ihr Kind leidet unter Neurodermitis.“ Immer häufiger werden Eltern mit dieser Diagnose konfrontiert. Wer sich nicht schon vorher mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, möglicherweise weil bereits Kinder im Verwandten- oder Bekanntenkreis betroffen sind, wird jetzt einige Fragen haben: zu den Hintergründen der Erkrankung, den Behandlungsmöglichkeiten und dem Krankheitsverlauf. Vielen wird wohl erst nach dem ersten ausführlichen Gespräch mit dem Arzt klar, dass es bislang kein Mittel und keine Therapie gibt, um diese chronisch-entzündliche Haut erkrankung zu heilen. Sie werden erfahren, dass viele ganz unterschiedliche Faktoren das Krankheitsbild beeinflussen und dass es folglich wichtig ist, diese Faktoren zu kennen, um die Symptome in den Griff zu bekommen. Eine Fülle neuer Fragen wird nun aufkommen, die in erster Linie um das eine Thema kreisen: Wie können wir die Beschwerden unseres Kindes lindern?

Information, Aufklärung und praktische Hilfe

Ziele der Patientenschulung

  • Positive Beeinflussung des Ekzemverlaufs
  • Verbesserung von Bewältigungsstrategien und Lebensqualität
  • Senkung psychischer Belastungen in der Familie
  • Reduzierung von Arzt- und Therapiewechsel

Eltern von neurodermitiskranken Kindern brauchen besonders in den ersten Monaten nach der Diagnose Unterstützung. Sie müssen lernen, mit der Erkrankung ihres Kindes umzugehen, und dazu heißt es, verschiedene Lebensbereiche und Aspekte der Erkrankung zu berücksichtigen. Im Rahmen der üblichen Sprechstunden beim Arzt kann dies häufig nicht ausreichend geleistet werden. Daher übernehmen spezielle Neurodermitisschulungen diese Aufgabe und bieten Eltern und Betreuungspersonen, aber auch den kleinen Patienten selbst eine wichtige Hilfe.

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Schulung liegt auf der konsequenten Hautpflege. Die Eltern lernen, wie wichtig die ausreichende Basispflege und der rechtzeitige, stadiengerechte Einsatz einer entzündungshemmenden Lokaltherapie ist.

Das Schulungsprogramm wurde von der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung e.V. (AGNES) erarbeitet und wird in verschiedenen Zentren bundesweit angeboten. In sechs Kurseinheiten vermitteln Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen Kenntnisse über Auslöser und Vermeidungsstrategien und geben Hinweise und Anregungen, wie man im Alltag mit krankheitsbedingten Problemen umgehen kann. Wesentliches Ziel dieser Schulung ist es, die Eltern bzw. Patienten so zu qualifizieren, dass in Übereinkunft mit den Therapeuten ein eigenverantwortlicheres Handeln möglich ist.

Schulungsinhalte

Zum Expertenteam gehören üblicherweise Ärzte (Hautarzt oder Kinderarzt), Psychologen oder Pädagogen, Ernährungsberater und Pflegefachkräfte (Kinderkrankenschwester oder -pfleger, Arzthelfer/-innen), die speziell für diese Aufgabe geschult wurden.

  • Im Regelfall werden die Kosten für die Schulung auf Antrag von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die entsprechenden Antragsformulare erhalten Sie in Ihrem Schulungszentrum.

Aufgabe der Ärztin bzw. des Arztes ist es, den medizinischen Hintergrund der Erkrankung zu erklären, die Therapiemöglichkeiten vorzustellen und darüber aufzuklären, wie sich Allergien vorbeugen lässt. Die Psychologin oder der Psychologe wird auf die verschiedenen psychischen Belas tungen eingehen, mit denen die kleinen Patienten zu kämpfen haben – dazu gehören z. B. Stressbewältigung und Schlafstörungen –, aber auch auf die Probleme, die sich möglicherweise innerhalb der Familie auftun, wenn ein Kind besonders viel Zuwendung benötigt.

Bei der Ernährungsberatung werden die Eltern erfahren, dass insbesondere bei Kleinkindern einige Nahrungsmittel einen Ekzemschub auslösen oder verstärken können. Sie werden lernen, wann es sinnvoll ist, bestimmte Lebensmittel zu meiden, und wie sich eine ausgewogene Ernährung ihres Kindes dennoch sicherstellen lässt. Umfangreiche Anleitungen und praktische Tipps zur Pflege und zum Schutz der empfindlichen Haut erhalten die Eltern von den Pflegekräften. Sie lernen u. a., was zur Basispflege der Haut gehört, wie Umschläge und Verbände angelegt werden oder dass z. B. das Auftragen einer leicht gekühlten Creme den Juckreiz besser lindern kann.

In manchen Schulungszentren werden parallel zu den Elternschulungen Seminare für betroffene Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 8 und 18 Jahren angeboten. Sie sollen den jungen Patienten helfen, die eigene Krankheit besser zu verstehen, ihre Körperselbstwahrnehmung trainieren und ihr Selbstbewusstsein und ihre Eigenverantwortlichkeit fördern.

Insgesamt decken die Schulungseinheiten alle wesentlichen Punkte, die es beim Umgang mit der Erkrankung Neurodermitis zu beachten gibt, ab. Wichtig ist, dass außerdem noch Zeit bleibt, um auf individuelle Fragen einzugehen. Deshalb nehmen an jedem Kurs maximal sechs Elternpaare teil. „Es ist kein Frontalunterricht, bei dem Eltern Vorträgen lauschen, sondern es sollen auch konkrete Fragen geklärt werden. Zudem soll ein Austausch zwischen den Teilnehmern stattfinden können“, erläutert Dr. Caroline Bußmann. Die Dermatologin ist Neurodermitistrainerin in der Neurodermitissprechstunde des Universitätsklinikums Bonn.

Experten in eigener Sache

Selbstverständlich orientieren sich die Schulungsinhalte stets an den neuesten Forschungsergebnissen und Therapieleitlinien und unterliegen einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Denn Ziel ist es, die Eltern zu kompetenten Co-Therapeuten weiterzubilden, die die Behandlungsstrategien des Arztes verstehen und unterstützen können. Die Erfahrung zeigt, dass dieses Konzept aufgeht.

„Eltern, die an einer Schulung teilgenommen haben, können anschließend meist sehr gut einschätzen, was zu tun ist und wie man mit einem Ekzemschub umgeht“, weiß Dr. Bußmann. „Sie können sich kompetenter mit den behandelnden Ärzten unterhalten und zeigen größeres Verständnis für die erforderlichen Maßnahmen.“ Auf dieser Grundlage ist es sehr viel einfacher, ein Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Arzt aufzubauen – auch das eine wichtige Voraussetzung für einen optimalen Behandlungsverlauf.

 

Anton Wilder