Chronische Erkrankungen im Schulalltag

Immer mehr Kinder leiden unter einer chronischen Erkrankung. Für viele von ihnen wird der Schulalltag mitunter zur Belastungsprobe. Um diese Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern, müssen Schule, Lehrerschaft und Eltern zusammenarbeiten.

Die achtjährige Helena geht gern zur Schule. Sie ist eine fleißige und ehrgeizige Schülerin und zählt in ihrem Lieblingsfach Rechnen zu den Besten ihrer Klasse. An manchen Tagen sitzt sie dennoch unkonzentriert und fast teilnahmslos im Unterricht. Ein Blick auf ihre Hände zeigt den Grund: Helena hatte einen Neurodermitisschub und die letzten Nächte schlecht geschlafen.

Es zählt sicherlich zu den ganz besonderen Herausforderungen des modernen Schulalltags, Schülerinnen und Schüler mit einer chronischen Erkrankung so zu unterstützen, dass sie unter guten Bedingungen lernen können, ohne sie in eine Sonderrolle zu drängen.

Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die wie Helena unter chronischen Erkrankungen leiden, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Diese Kinder und Jugendlichen müssen über Monate hinweg, häufig lebenslang behandelt werden. Viele von ihnen müssen stets Rücksicht auf ihre Gesundheit nehmen und sind in ihren Aktivitäten und ihrer Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Das macht sich auch im Schulalltag bemerkbar. Dabei sind es nicht allein die körperliche Beeinträchtigung, Schmerzen, Missempfindungen oder vermehrtes Unwohlsein, die den Kindern zu schaffen machen. Auch die Psyche leidet.

Viele fühlen sich ausgegrenzt, sind enttäuscht, genervt oder wütend, wenn sie, bedingt durch ihre Erkrankung und aus Besorgnis der Eltern, nicht wie ihre Mitschüler herumtoben, am Sportunterricht oder an Ausflügen teilnehmen können. Zudem fürchten insbesondere Schülerinnen und Schüler mit stark auffallenden Erkrankungen, z. B. sichtbaren Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis, ablehnende Reaktionen ihrer Mitschüler. Mangelndes Selbstwertgefühl und die Empfindung, anders zu sein, machen es vielen betroffenen Kindern schwer, Freundschaften zu pflegen und Kontakte aufzubauen.

Hinzu kommt, dass manche Schüler mit chronischen Erkrankungen häufig im Unterricht fehlen. Damit sie Versäumtes nachholen, wird ihnen besonders viel Disziplin und Lerneifer abverlangt.

Förderung für Kinder mit chronischen Erkrankungen

Häufige chronische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

  • Allergien
  • Asthma
  • Neurodermitis
  • Psoriasis
  • angeborene Herzfehler
  • Epilepsie
  • Diabetes Typ 1

Es zählt sicherlich zu den ganz besonderen Herausforderungen des modernen Schulalltags, Schülerinnen und Schüler mit einer chronischen Erkrankung so zu unterstützen, dass sie unter guten Bedingungen lernen können, ohne sie in eine Sonderrolle zu drängen. Immer mehr Lehrer sehen sich mit dieser Situation konfrontiert, die sich nur meistern lässt, wenn Eltern und Lehrer von Anfang an zusammenarbeiten und wichtige Informationen zum aktuellen Gesundheitszustand, zu Auffälligkeiten und Veränderungen, Lernfortschritten oder -problemen regelmäßig austauschen.

Dabei ist es mitunter hilfreich, wenn das Kind hin und wieder an diesen Eltern-Lehrer- Gesprächen teilnimmt und so die Möglichkeit bekommt, seine Situation und Empfindungen selbst darzustellen. Die Lehrer können sich gleichzeitig davon überzeugen, inwieweit das Kind verantwortungsvoll mit seiner Erkrankung umgehen kann. Dies schafft eine gute Grundlage, um gemeinsam präventive oder entlastende Maßnahmen in den Schulalltag zu integrieren. Die meisten Schulkinder sind bereits Experten, wenn es um ihre Erkrankung geht. Sie wissen, was ihre Erkrankung verschlimmert oder einen Schub auslösen kann, und sind darin geschult, auf Warnzeichen zu reagieren.

Helena kennt z. B. einen guten Trick, um den schlimmen Juckreiz der entzündeten Haut zu ignorieren. Sie klopft auf die juckende Hautstelle und konzentriert sich dann auf etwas anderes, um sich vom Bedürfnis zu kratzen abzulenken. Ihr Klassenkamerad Ben leidet unter Asthma. Sobald sich ein Stein auf seine Brust legt, atmet er mit der Lippenbremse und setzt sich in den Kutschersitz.

Am besten, die Kinder erklären den Lehrern, mit welchen Strategien sie auf bestimmte Symptome reagieren. Wichtig ist, dass Lehrer und Schüler einander vertrauen und eindeutig geklärt ist, dass das Kind auf jeden Fall Bescheid gibt, wenn es Hilfe braucht.

Kinder mit chronischen Erkrankungen sind im Schulalltag in vielerlei Hinsicht belastet. Sie leiden vermehrt unter

  • Müdigkeit und mangelnder Konzentration bei schweren oder nach nächtlichen Krankheitsschüben
  • Beeinträchtigungen durch Krankheitssymptome, z. B. starken Juckreiz bei Neurodermitis
  • erhöhter Ängstlichkeit und Unsicherheit
  • mangelndem Selbstwertgefühl, u. a. durch sichtbare Krankheitszeichen
  • erhöhter Stressanfälligkeit
  • häufigen Fehlzeiten, u. a. eingeschränkter Teilnahme am Sportunterricht

So normal wie möglich

Die Normalität, die sich viele Kinder ünschen, hängt nicht allein vom Einfühlungsvermögen der Lehrer ab, sondern auch vom Verhalten der Mitschüler. Ohne Frage ist es hilfreich, wenn auch die Mitschüler die Erkrankung und damit das Verhalten einordnen können. Ob und in welchem Umfang sie darüber aufgeklärt werden, hängt allerdings maßgeblich vom Einverständnis der Eltern des kranken Kindes ab. Ohne deren Zustimmung darf der Lehrer, der ins Vertrauen gezogen wurde, die Diagnose nicht bekanntgeben, weder gegenüber den Mitschülern noch im Kollegenkreis. Um jedoch Hänseleien oder ein Ausgrenzen des Kindes zu vermeiden, sollten die Eltern gemeinsam mit ihrem Kind und dem Lehrer beraten, wie man vor der Klasse mit der Erkrankung umgehen soll.

Im Idealfall trägt der offene Umgang mit der Erkrankung dazu bei, die gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz unter den Schülern zu fördern. Außerdem können die Mitschüler leichter nachvollziehen, warum für bestimmte Kinder Sonderregelungen und möglicherweise andere Leistungsnachweise gelten.

Nachteilsausgleich für chronisch kranke Schüler

Um kranken Schülern Chancengleichheit zu gewähren und mögliche Benachteiligungen, die durch die Erkrankung entstehen, auszugleichen, sieht das Schulgesetz einen Nachteilsausgleich vor. Dazu kann z. B. gehören, dass Klassenarbeiten nach Krankheits- und Fehlzeiten gesondert bewertet oder wiederholt werden dürfen, Leistungsbewertungen auch mündlich erfolgen, im Sportunterricht gesonderte Aufgaben gestellt oder Entspannungsphasen eingeräumt werden.

Art und Umfang solcher Maßnahmen hängen von den individuellen Erschwernissen und Belastungen ab. Voraussetzung ist die Vorlage eines aussagekräftigen ärztlichen Attests. Üblicherweise entscheiden dann die Schulleitung und die Fachlehrer in Absprache mit den Eltern darüber, in welcher Form der Nachteilsausgleich umgesetzt wird. Allgemeine Informationen zum Nachteilsausgleich erhalten Eltern beim zuständigen Schulamt bzw. Kultusministerium.

So können Sie den Schulalltag Ihrer Kinder erleichtern

  • Informieren Sie den Klassenlehrer über die Erkrankung Ihres Kindes und stellen Sie ggf. Hintergrundinformationen zum Krankheitsbild zur Verfügung.
  • Besprechen Sie mit Ihrem Kind und dem Lehrer, ob und in welcher Form andere Lehrer und die Mitschüler über die Erkrankung informiert werden sollen. Ohne Ihre ausdrückliche Genehmigung darf ein Lehrer keine Informationen über die Diagnose und Therapie des Kindes weitergeben.
  • Teilen Sie den Lehrern mit, was den Gesundheitszustand des Kindes belastet. Im Falle von Allergien sollten z. B. die Allergieauslöser benannt werden.
  • Geben Sie dem Lehrer für den Notfall eine Telefonnummer, unter der Sie zu erreichen sind (ggf. die Telefonnummer des behandelnden Arztes). Außerdem sollte Ihr Kind immer seinen Notfallpass bei sich führen.
  • Erstellen Sie einen Notfallplan, in dem vermerkt ist, was im Falle einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands zu tun ist, bis ein Arzt kommt.
  • Hinterlegen Sie ggf. Medikamente in der Schule und vereinbaren Sie am besten schriftlich, wer diese Medikamente in welcher Situation verabreichen darf.
Anton Wilder