Warum wächst die Zahl allergiekranker Menschen in Europa? Was kann man tun, um Kindern eine Allergikerkarriere zu ersparen? Während die erste Frage nach wie vor Anlass zu Vermutungen gibt, fällt die Antwort auf die zweite Frage eindeutiger aus. Es gibt sowohl Faktoren, die die Entwicklung allergischer Erkrankungen begünstigen, als auch solche, die das Allergierisiko vermindern.
Verständlicherweise stellen sich viele werdende und junge Eltern die besorgte Frage: Wird auch unser Kind eine Allergie entwickeln? Diese Frage kann niemand beantworten. Trotz aller Fortschritte in der Allergieforschung ist es nicht möglich vorherzusagen, ob ein Kind an einer Allergie leiden wird oder nicht. Man weiß, dass es eine genetische Veranlagung für diese allergischen Erkrankungen gibt und das Risiko höher ist, wenn bereits andere Familienmitglieder unter allergischen Erkrankungen leiden. Eltern aus vorbelasteten Familien stellt sich jetzt unmittelbar die nächste Frage: Können wir für unser Kind die Chancen auf ein allergiefreies Leben verbessern? Diese Frage lässt sich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Es gibt eine Reihe von vorbeugenden Maßnahmen, durch die sich das Allergierisiko reduzieren lässt.
Frühe Sensibilisierung vermeiden
Die entscheidende Phase der Allergieprävention beginnt nach der Geburt. Damit der Körper eine funktionsfähige Abwehr und notwendige Schutzmechanismen gegen körperfremde Substanzen aufbauen kann, muss sich das heranreifende Immunsystem mit vielen Fremdstoffen auseinandersetzen. Dabei muss es lernen, zwischen unschädlichen und schädlichen Substanzen zu unterscheiden und Erstere zu tolerieren. Hierbei wird es jedoch hin und wieder fehlgeleitet. Wenn der Körper auch bei an sich harmlosen Stoffen fälschlicherweise mit Abwehrmaßnahmen reagiert, spricht man von einer allergischen Reaktion. Neben der erblichen Veranlagung können hierfür Umwelteinflüsse, aber auch der Zeitpunkt des ersten Allergenkontakts und die Menge der Aufnahme verantwortlich sein. Aus diesem Grund sollte man unbedingt den frühen Kontakt mit potenziellen Allergenen und eine frühe Sensibilisierung des Säuglings vermeiden.
Im ersten Lebensjahr ist der Magen-Darm-Trakt die Haupteintrittspforte für Fremdstoffe. Aus diesem Grund liegt ein Schwerpunkt bei der Vorbeugung von Allergien auf der Ernährung des Säuglings.
- Muttermilch ist die ideale Nahrung für Ihr Kind. Wenn möglich, sollten Sie in den ersten vier bis sechs Monaten ausschließlich stillen.
- Allergiegefährdete Kinder, die nicht gestillt werden, sollten geprüfte HA-Nahrungen bekommen, deren allergievorbeugende Wirkung in kontrollierten Studien belegt ist.
Der zuverlässigste Schutz gegen eine frühzeitige Sensibilisierung ist die Muttermilch. Sie ist in ihrer Zusammensetzung den entwicklungsspezifi schen Bedürfnissen des Säuglings angepasst. Darüber hinaus werden die Eiweiße der Muttermilch vom Säugling als körpereigenes Eiweiß akzeptiert, gegen das keine Allergie entwickelt werden kann. Allerdings ist auch Muttermilch nicht völlig frei von Allergenen. In ganz geringen Mengen enthält sie Substanzen aus der Nahrung der Mutter. Dieser frühe Kontakt des Kindes mit minimalen Mengen an möglichen Allergenen ist jedoch unbedenklich und trägt vielmehr zur Entwicklung einer gesunden Immunantwort bei.
Ärzte empfehlen daher, Kinder, die aufgrund erblicher Vorbelastung ein erhöhtes Allergierisiko haben, mindestens vier bis sechs Monate ausschließlich zu stillen. Mütter, die ihr Kind nicht stillen können, dürfen oder möchten, sollten auf hypoallergene Säuglingsnahrung zurückgreifen. Diese auch als HA-Nahrung bezeichnete Säuglingsnahrung ist speziell aufbereitet. Die in dieser Säuglingsnahrung enthaltenen Eiweißbausteine werden in einem besonderen Verfahren so weit aufgespalten, dass sie ähnlich allergenarm sind wie die Eiweiße der Muttermilch. Der Wert des Eiweißes für die menschliche Ernährung bleibt dabei unverändert.
Die allergenarme Ersatznahrung empfiehlt sich auch dann, wenn Stillen allein nicht ausreicht. Auf ein Zufüttern mit Kuhmilch oder das Ausweichen auf herkömmliche Säuglingsnahrung sollte unbedingt verzichtet werden. Produkte auf Basis von Sojaeiweiß sind nicht für die Ernährung gesunder Säuglinge geeignet. Darauf weist die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin ausdrücklich hin.
Die späte Einführung von Beikost mit allmählichem Aufbau einer bedarfsangepassten Mischkost trägt zur Allergieprävention bei. Dabei sollten neue Nahrungsmittel nach und nach in die Ernährung integriert werden. Auf diese Weise kann man leicht feststellen, ob bei bestimmten Nahrungsmitteln allergische Reaktionen auftreten. Hoch allergene Nahrungsmittel wie Ei, Fisch, Zitrusfrüchte, Nüsse, Weizen, Schokolade und Frischmilch sollten das ganze erste Jahr möglichst vermieden werden.
Milben, Haustiere, Pollen und Schimmelpilze
Neben der Ernährung des Säuglings und Kleinkindes beeinflussen Allergene aus der Luft das Allergierisiko. In der Wohnung sind dies vor allem die Hausstaubmilben beziehungsweise deren Ausscheidungen. Die winzig kleinen und deshalb unsichtbaren Milben ernähren sich von Hautschuppen, die sie reichlich im Hausstaub, besonders in Teppichböden, Polstermöbeln, Betten und in der Kleidung finden. Trotz größter Anstrengungen wird es kaum gelingen, das Wohnumfeld komplett milbenfrei zu halten. Da die Sensibilisierung jedoch abhängig von der Milbenmenge ist, sollte man zumindest versuchen, ihre Anzahl zu verringern und Staubfänger aus der Wohnung zu verbannen.
- Kinder sollten in einem rauchfreien Wohnumfeld aufwachsen. Kinderärzte gehen davon aus, dass Passivrauchen im Elternhaus für etwa 5 bis 15 Prozent der Asthmaerkrankungen im Kindesalter verantwortlich ist.
Auf Teddy und Schmusetier braucht dennoch kein Kind zu verzichten. Allerdings empfehlen sich waschbare Weggefährten, die zum Abtöten der Milben häufiger für ein paar Stunden in die Tiefkühltruhe gelegt werden können. Lebendige Haustiere mit Fell sind nicht die idealen Mitbewohner für Allergikerfamilien. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass intensiver Kontakt mit Katzen in den ersten sechs Lebensmonaten das Auftreten einer Katzenhaarallergie begünstigt. Gleiches gilt für Kaninchen, Meerschweinchen oder andere haarige Nagetiere. Dagegen ist nach aktuellem Kenntnisstand die Haltung von Hunden nicht mit einem erhöhten Allergierisiko verbunden.
Oftmals unterschätzt wird die gesundheitliche Belastung, die von Schimmelpilzen ausgeht. Im Innenraum sind insbesondere Keller, Küche und Bad gefährdet, wo durch Kochen, Duschen, Waschmaschine, Wäschetrocknen sowie eine schlechte Belüftung ständig eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht. Um die Luftfeuchtigkeit zu senken und damit die Gefahr des Schimmelbefalls zu verringern, ist richtiges Lüften der Räume wichtig. Das bedeutet, die Fenster kurzzeitig – fünf Minuten reichen schon aus – ganz zu öffnen. Außerdem müssen feuchte Wände saniert werden.
Vorbeugen ist besser als therapieren
Für Kinder mit einem erhöhten Allergierisiko und ihre Angehörigen sind einige der beschriebenen vorbeugenden Maßnahmen mit Einschränkungen verbunden. Doch verglichen mit dem Leidensdruck, unter dem ein Allergiekranker steht, sind sie das kleinere Übel. Und auch wenn es keine Garantie dafür gibt, dass eine Aller gie verhindert wird, so kann doch in vielen Fällen ein Auftreten verzögert oder abgeschwächt werden.