Der Volksmund nennt es Weißfleckenkrankheit oder Scheckhaut. Wie es dazu kommt, dass einzelne Hautpartien ihre Pigmentierung verlieren, gibt nach wie vor Rätsel auf.
Sie schmerzen nicht, verursachen keinerlei Juckreiz oder sonstige Beschwerden und sind anfangs auch eher klein und unauffällig. Doch innerhalb weniger Wochen können die scharf begrenzten weißen Flecken auf der Haut Durchmesser von mehreren Zentimetern erreichen und zu einer fleckigen Landschaft zusammenwachsen. Da oftmals Gesicht, Hände und Hals betroffen sind, bleiben neugierige Blicke nicht aus. Viele Betroffene – und das sind geschätzte 0,5 bis 2 Prozent der Weltbevölkerung – leiden unter den deutlich sichtbaren Pigmentveränderungen ihrer Haut. Sie suchen ärztlichen Rat und hoffen auf eine Behandlung, die die Flecken wieder dauerhaft zum Verschwinden bringt. Leider gibt es solch ein Mittel bislang jedoch nicht. Denn obwohl man das Entstehen der Flecken medizinisch erklären kann und auch einige der auslösenden Faktoren für dieses Phänomen kennt, weiß man zu wenig über die Ursachen der Erkrankung, so dass man nicht therapeutisch eingreifen kann.
Entstehungstheorien
- Die Flecken haben normalerweise eine unregelmäßige Form, treten in Gruppen auf und grenzen sich scharf von der übrigen Haut ab.
- Häufig sind die Flecken gleichmäßig auf beiden Körperhälften angeordnet.
- Die Hautflecken treten bevorzugt am Handrücken, im Gesicht, am Hals, an Schienbeinen und Ellenbogen sowie im Leisten-, Analund Genitalbereich auf.
- Der Pigmentverlust kann sich auch auf die Körperhaare ausweiten, die dann weiß werden.
Vitiligo kann bei Menschen aller Hauttypen auftreten und beginnt zumeist bereits in jungen Jahren. Dort, wo die Haut weiß erscheint, fehlen ihr die für ihre Färbung verantwortlichen Pigmentzellen, die Melanozyten, die das Melanin bilden. Der Anteil an Melanin in der Haut ist zum größten Teil genetisch bedingt, wird aber auch durch die UV-Strahlung der Sonne beeinflusst. Warum die Pigmentbildung plötzlich gestört ist und weniger bis gar kein Melanin mehr gebildet wird, weiß man nicht genau. Auffällig ist, dass Vitiligo in manchen Familien gehäuft auftritt. Es scheint also eine genetische Veranlagung für diese Erkrankung zu geben, wobei nicht klar ist, in welchem Umfang die Vererbung bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle spielt. Ganz offensichtlich gibt es noch andere Ursachen.
Als sehr wahrscheinlich gilt die Vermutung, dass eine Autoimmunreaktion dahintersteckt. Dabei geht man davon aus, dass das Immunsystem irrtümlich körpereigene Antikörper (Autoantikörper) gegen die Melanozyten bildet, so dass die pigmentbildenden Zellen zerstört werden. Für diese Theorie spricht, dass man bei einigen Patienten solche Autoantikörper nachweisen konnte. Ein weiterer Hinweis auf immunologische Hintergründe ist die Feststellung, dass Vitiligo häufig gleichzeitig mit anderen Autoimmunerkrankungen auftritt. Unklar bleibt jedoch, warum es überhaupt zu einer fehlerhaften Immunreaktion kommen kann. Eine andere Entstehungstheorie geht von einer Fehlfunktion des Stoffwechsels aus, die zur Selbstzerstörung der Pigmentzellen führt. Aber auch eine Schädigung der Hautnerven wird als mögliche Ursache für Vitiligo diskutiert.
Auslöser der Erkrankung
Einfacher als die Ursachen der Erkrankung lassen sich krankheitsauslösende und -verstärkende Faktoren erkennen. So können psychische Belastungen und Stress das Auftreten und Fortschreiten der Vitiligo ebenso beschleunigen wie Verletzungen der Haut.
Als einer der wichtigsten Auslöser ist oxidativer Stress bekannt. Unter oxidativem Stress versteht man die vermehrte Bildung reaktionsfreudiger freier Radikale. Freie Radikale, die bei allen Stoffwechselvorgängen im Körper entstehen, können zu einer Schädigung von Körperzellen und -strukturen führen, sofern sie nicht durch Radikalfänger neutralisiert werden. Bei oxidativem Stress herrscht ein Missverhältnis zwischen freien Radikalen und Radikalfängern. Auslösende Faktoren für einen solchen Stresszustand im Hautgewebe sind z. B. Entzündungen und Verletzungen der Haut oder Schäden, die infolge intensiver UV-Strahlung entstehen. Manche Betroffene berichten, dass erste Symptome der Vitiligo nach starkem Sonnenbrand oder nach anderen Hautschädigungen auftraten.
Therapiemöglichkeiten der Vitiligo
Es gibt verschiedene Therapieansätze, durch die zumindest teilweise eine Repigmentierung der weißen Flächen gelingen kann. Finden sich lediglich vereinzelte depigmentierte Hautareale – man spricht in diesem Falle von der lokalisierten Form der Vitiligo –, erfolgt in der Regel zunächst eine Therapie mit wirkstoffhaltigen Salben. Die Anwendung von Kortisonsalben zeigt häufig den gewünschten Erfolg. Allerdings sollte sie aufgrund der Nebenwirkungen nicht über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Zunehmend setzt man deshalb auf eine Therapie mit immunregulierenden Salben oder Cremes, die die Wirkstoffe Pimecrolimus oder Tacrolimus enthalten. Eine weitere Option sind pigmentanregende Gels mit antioxidativen Enzymen (Katalase).
Zur Behandlung der generalisierten Form der Vitiligo, bei der die Flecken symmetrisch an mehreren Körperstellen auftreten, sich vergrößern und häufig zu größeren Flächen zusammenwachsen, hat sich die Lichttherapie bewährt. Durch die gezielte Bestrahlung mit UV-Licht können die noch nicht vollständig zerstörten Pigmentzellen dazu angeregt werden, in die depigmentierte Haut einzusprossen. Den größten Erfolg erzielt man derzeit mit der UV-B-Schmalband-Therapie, bei der die Haut zwei bis drei Mal pro Woche mit UV-Licht der Wellenlängen 311 bis 313 Nanometer bestrahlt wird. Die Repigmentierung zeigt sich in der Regel nach zwei bis drei Monaten. Eine weitere Möglichkeit stellt die PUVA-Therapie, eine Kombination aus lichtsensibilisierenden Medikamenten (Psoralen) und UV-A-Licht, dar. Deutliche Vorteile gegenüber den herkömmlichen UV-Lichttherapien hat eine Lasertherapie. Um die Strahlenbelastung zu minimieren und die gesunde Haut vor unnötigem UV-Licht zu schützen, werden die betroffenen Hautstellen punktgenau mit einem energiereichen Laser bestrahlt, der UV-Licht der Wellenlänge 308 Nanometer erzeugt.
Mehr als ein kosmetisches Problem
Auch wenn Vitiligo keine körperlichen Beschwerden verursacht, so ist sie doch sehr viel mehr als eine einfache Pigmentstörung oder ein kosmetisches Problem. Die meisten Vitiligo-Patienten leiden unter ihrem „gefleckten“ Aussehen, insbesondere wenn die Flecken für jedermann sichtbar im Gesicht, an Hals oder Händen auftreten. Doch ihre Probleme werden oftmals nicht ernst genommen, mitunter sogar als „Eitelkeit“ abgetan. Die psychische Belastung ist jedoch nicht zu unterschätzen. Viele fühlen sich ausgegrenzt, meiden das Zusammentreffen mit anderen Menschen und ziehen sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Diese Patienten sollten sowohl mit ihrem Hautarzt über diese Probleme sprechen als auch eine psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Mitunter hilft auch das Gespräch mit Leidensgenossen. In vielen Orten gibt es Selbsthilfegruppen, in denen man Erfahrungen und Informationen austauschen kann ohne das beklemmende Gefühl, das Gesicht verstecken zu müssen.